Zu einer Übersetzung von Petrarca (2016)

Brief ohne Antwort

Au conservateur du Musée-bibliothèque François Pétrarque
Fontaine de Vaucluse

Au conservateur du Musée du Petit Palais
Avignon

Seit nunmehr einiger Zeit bewegt sich meine Kunst zwischen der Skylla literarischer Texte und der Charybdis der Malerei. Ich lebe seit einigen Jahren in Südfrankreich in der Nähe von Avignon und Petrarcas Vaucluse, die ich, ebenso wie den Papstpalast und das Kloster von Villeneuve-lès-Avignon mit den letzten bekannten Fresken von Matteo Giovannetti mehrfach aufgesucht habe.

Folgendes Projekt möchte ich umsetzen:

Ausgehend von einem einzelnen Sonett von Petrarca (Nummer XIX der Liedersammlung „Gelobet sei der Tag“) würde ich gerne den Originaltext sowie verschiedene spätere Übersetzungen ins Französische und ins Deutsche in einer Installation verarbeiten.[1] Hierzu möchte ich die deutsche Übersetzung von Oskar Pastior sowie die Übersetzung ins Französische, die ein Kollektiv verschiedener Schriftsteller 1990 in Royaumont ausgehend von Pastiors Übersetzung anfertigte, heranziehen (Siehe Zeitschrift Détail, Paris, n. ¾, hiver 1991).

Das ergibt sechs Texte (meine Übersetzung ins Italienische ausgehend von der deutschen Version von Pastior miteingeschlossen). Die Texte werden auf Glasplatten in der Größe 32×32 cm. abgedruckt. Schriftart Courier, fortlaufend wie ein Telexdokument. Es ist interessant, zu sehen, ob nach der letzten Übersetzung der Ausgangstext noch wiederzuerkennen ist – ob wenigstens eine Spur der ursprünglichen Poesie Petrarcas erhalten bleibt.

Die bedruckten Glasscheiben werden mit von mir angefertigten Fotografien der Fresken von Matteo Giovannetti da Viterbo (Anfang 1300-1369?) in Avignon und in Villeneuve lès Avignon unterlegt. Wie bereits bekannt, oblag Giovannetti die Leitung der von den Päpsten in Auftrag gegebenen Arbeiten. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Petrarca und Giovannetti sich kannten und insbesondere zwischen 1343 und 1353 in Kontakt zu einander standen. In dieser Zeit übernahm Petrarca diverse Aufträge in Rom. Bei den Fotografien handelt es sich um Detailaufnahmen – abstrakte Formen – von im Laufe der Jahrhunderte zerfallenen Fresken. Diese sollen als Hintergrund für die Texte Petrarcas und deren Übersetzungen nicht nur das Überleben einer bestimmten Zeit symbolisieren. Vielmehr sollen Fotografien und Texte durch das Übereinanderlegen einander gegenseitig durchdringen: Somit ist es unmöglich, den Text unabhängig vom Hintergrund wahrzunehmen, wodurch es, wie ich hoffe, zu einer Aufeinanderfolge von Blickverschiebungen beim Beobachter kommt.

Die endgültige Installation wird aus sechs kleinen Platten mit ebenso vielen, gut lesbaren Texten auf dem bereits erwähnten Hintergrund bestehen.

Ich hoffe, dass mein Projekt Ihre Zustimmung findet.

Mit freundlichen Grüßen
SP

März 2012

(Ubersetzung aus dem italienischen: Piero Houtermans)

[1] Dies sind die „klassischen“ Übersetzungen, die ich verarbeiten werde: Fernand Brisset ins Französische (1933 von der Académie Française ausgezeichnet) und Leo Graf Lanckoronski (Universal-Bibliothek Reclam, 1956)

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